Bei den Themen Sexualerziehung und Aufklärung scheiden sich die Geister. Die einen finden, Kinder können nicht früh genug lernen, was es damit auf sich hat; die anderen schütteln entrüstet die Köpfe, wenn es um den Sexualkunde-Unterricht in der Grundschule geht; wieder andere haben zwar an sich kein Problem mit frühzeitiger Aufklärung, fühlen sich mit dem Thema aber unwohl und wissen nicht, wie und wo sie anfangen sollen.

In diesem Beitrag erzähle ich dir alles wichtige über kindliche Sexualität und Sexualerziehung in der Kita und gebe dir ein paar Tipps, wie du das Thema mit Kindern sinnvoll bearbeiten kannst.

Kindliche Sexualität – Was ist das eigentlich?

Die WHO sagt „Sexualität bezieht sich auf einen zentralen Aspekt des Menschseins über die gesamte Lebensspanne hinweg, der das biologische Geschlecht, die Geschlechtsidentität, die Geschlechtsrolle, sexuelle Orientierung, Lust, Erotik, Intimität und Fortpflanzung einschließt.“¹

Sexualität ist also nichts, was erst irgendwann im Leben auftaucht, sondern ein Teil des „Menschseins“, der von Anfang an da ist. Natürlich unterscheidet sich kindliche Sexualität grundlegend von Erwachsenensexualität. Es gibt typische Kennzeichen kindlicher Sexualität, die diese ganz klar von erwachsener Sexualität abgrenzen. Auf diese Merkmale werde ich im nächsten Abschnitt genauer eingehen.

Merkmale kindlicher Sexualität

Kindliche Sexualität	Erwachsenensexualität
spielerisch, spontan	absichtsvoll, zielgerichtet
nicht auf zukünftige Handlungen ausgerichtet	auf Entspannung und Befriedigung hin orientiert
Erleben des Körpers mit allen Sinnen	eher auf genitale Sexualität ausgerichtet
egozentrisch	beziehungsorientiert
Wunsch nach Nähe und Geborgenheit	Verlangen nach Erregung und Befriedigung
Unbefangenheit	Befangenheit
sexuelle Handlungen werden nicht bewusst als Sexualität wahrgenommen	bewusster Bezug zu Sexualität

Wie man der Tabelle entnehmen kann gibt es deutliche Unterschiede zwischen kindlicher Sexualität und Erwachsenensexualität.
Kinder erleben und erkunden die Welt mit allen Sinnen. Dabei beziehen sie ihren Körper spielerisch mit ein und unterscheiden in erster Linie zwischen Wohlsein und Unwohlsein. Die kindlichen Aktivitäten beziehen sich ausschließlich auf das Hier und Jetzt und sind darauf ausgerichtet, sich wohlzufühlen (Ich-Bezogenheit); Kinder empfinden Freude am eigenen Körper und entdecken diesen und auch die Körper anderer Kinder in einem spielerischen Rahmen, der von Spontaneität geprägt ist.

Sie streben nach Körperkontakt, weil sie Nähe und Geborgenheit suchen. Sie agieren frei und unbefangen, auch in Rollen- und Doktorspielen mit anderen Kindern und stufen diese Handlungen selbst nicht als sexuell ein.²

Die Rolle der Sexualität für die Identitätsentwicklung

Der Körper und die Sexualität spielen eine wichtige Rolle für die Identitätsentwicklung. Kinder entwickeln ihr Selbstkonzept und Selbstbild zunächst über ihren Körper; sie brauchen die Selbstwirksamkeit, die sie im Spiel und beim spielerischen Entdecken ihres Körpers erfahren, um ein positives Selbstkonzept zu entwickeln.³

Der Umgang mit kindlicher Sexualität ist abhängig von vielen Faktoren, wie kulturellen, religiösen, sozialen und familiären Vorstellungen. Je nach Umfeld wird sehr unterschiedlich darauf reagiert; manche körperlichen Berührungen werden allgemeinhin akzeptiert, andere werden unterbunden und mit Scham behaftet, was große Auswirkungen auf das seelische Gleichgewicht von Kindern haben kann.

Sexualerziehung in der Kita

Aber was bedeutet das jetzt für die Kita und vor allem für die pädagogischen Fachkräfte? Leider gibt es bislang nicht in allen Kitas ein Konzept zur Sexualerziehung. Dabei zeigt sich kindliche Sexualität im Kita-Alltag in vielen verschiedenen Bereichen und Facetten: als Fachkraft beobachtet man Kinderfreundschaften, Doktor- und Rollenspiele, frühkindliche Selbstbefriedigung und Schamgefühle; die Kinder haben aber auch konkrete Fragen zu sexuellen Themen und man wird nicht selten mit sexuellen Begriffen konfrontiert.

Wichtig ist hierbei zu wissen, dass Sexualerziehung auch dann geschieht, wenn nicht reagiert wird. Auch Übersehen, Ignorieren oder Verdrängen dieser Thematik hat Auswirkungen auf das kindliche Verhalten.

Deshalb ist es wichtig, sich als Fachkraft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Hierzu braucht es drei Aspekte: Zum einen die eigene Auseinandersetzung mit der sexuellen Biografie, um eigene Werte und Haltungen zu reflektieren; natürlich der Erwerb des nötigen Fachwissens bezüglich der psychosexuellen Entwicklung von Kindern; und die Auseinandersetzung innerhalb des Teams, damit alle am gleichen Strang ziehen und um Unsicherheiten zu vermeiden.

Aber wie geht man dieses Thema nun mit den Kindern sinnvoll an? Wie reagiert man, wenn Kinder fragen haben oder (vielleicht nicht sehr schöne) sexuelle Worte verwenden?
Dazu habe ich jetzt noch einen Buchtipp für dich!

Buchtipp: Von wegen Bienchen & Blümchen!

Das Buch Von wegen Bienchen & Blümchen – Aufklärung, Gefühle und Körperwissen für Kinder von Carsten Müller, Sarah Siegl und Emily Claire Völker gibt kindgerechte Antworten auf alle möglichen Fragen für Kinder ab 5 Jahren.

Das Sachbilderbuch umfasst die folgenden Themen übersichtlich und visuell ansprechend gestaltet:

• Geschlechter, die Geschlechtsorgane und unterschiedliche Körper
• Innere und äußere Gefühle, Schamgefühl
• Doktorspiele
• Sex und die Entstehung des Lebens
• unterschiedliche Familienmodelle
• Verliebtsein
• Medien
• Pubertät, körperliche Veränderungen, Periode

Ich finde das Buch genial, weil es nicht nur viele Informationen und ansprechend aufbereitete Bilder für Kinder enthält, sondern auch wertvolle Tipps für Eltern und Pädagogen. Zu jedem Thema gibt es Hinweise, wie man das jeweilige Thema am besten mit Kindern besprechen kann und welche Fragen eventuell auftauchen könnten.

Auch eher schwierige Themen werden sehr anschaulich dargestellt, so dass auch jüngere Kinder sie schon verstehen können.

Ich empfehle das Buch bereits für Vorschulkinder, aber es eignet sich auch für ältere Kinder, da man mit jedem Anschauen mehr entdecken kann und das Buch einen immer dort abholt, wo man gerade steht.

Wie stehst du zum Thema Sexualerziehung in der Kita? Habt ihr in der Einrichtung ein sexualpädagogisches Konzept?

1. Standards für Sexualaufklärung in Europa, WHO und BZgA 2011, S. 18 ↩︎
2. Sexualpädagogik in der Kita, Maywald 2015, S. 16-18 ↩︎
3. Kindergarten heute, 2/2015 S. 6-12 ↩︎